Abgesang - Eine Glosse

Glosse zur aktuellen Situation

Abgesang - Eine Glosse

Kurz nach Ostern beginnt es. Auf ersten Plätzen in den Orten tauchen sie auf. Sie schweben von Balkonen oder machen ein Päuschen im Café. In den darauffolgenden Tagen werden sie immer mehr. Und es scheint immer mehr so, als drehe sich alles um sie. Als stünde ein Fest bevor, ein Stell-Dich-Ein...

Ja, so war es stets in den vergangenen Jahrzehnten. Zwischen Ostern und dem ersten Mai tauchten immer mehr Hexen im ganzen Harz auf. In den Dörfern traf man auf sie. Und je weiter es auf den ersten Mai zu ging, desto mehr nahmen sie sich heraus. Es war eine stimmungsvolle, geheimnisvolle Zeit. Und am Ende stand die Walpurgisnacht mit den ortstypischen Feierlichkeiten.

Diese vorangegangen Zeilen sind in der Vergangenheitsform geschrieben, denn dieses Jahr sind alle Feierlichkeiten abgesagt. Ob das auch die Hexen verscheucht hat? Ich weiß es nicht. Jedenfalls sind diesmal eigentlich gar keine der üblichen fast menschengroßen Puppen, die wie Hexen ausstaffiert sind, zu sehen. Der jeweilige Orts- oder Tourismusverband unterstützt ja das Anbringen oder Aufstellen dieser Hexen-Puppen. Doch dieses Jahr...

Aber gestern, da traute ich meinen Augen nicht, da: Ne fremde Hexe im Ort. Ich reibe mir die Augen, komme dabei fast von der Straße ab. Doch es sieht eher wie eine Stippvisite denn nach einem wirklichen Besuch aus. Es scheint vielmehr so, dass auch die Hexen von Corona-Quarantäne betroffen sind. Wer hätte sowas denn gedacht?

Oder haben sie sich nur zurückgezogen? Und dann ziehen sie dieses Jahr in aller Stille gemeinsam zum Blocksberg hinauf. Ganz so wie Goethe Walpurgis im Faust beschreibt...



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