Das große Fressen

Kurzgeschichte eines nächtlichen "Dramas"

Das große Fressen

Dies ist eine Geschichte, die sich irgendwann nachts zugetragen hat. Eigentlich war es in den frühen Morgenstunden des 13. Januars 1994, fast genau 2.00 Uhr. Aber das ist, wiederum eigentlich, egal.

Die beteiligten Wesen (Haupt- und Nebenrollen konnten aufgrund der späten, eher frühen, Stunde nicht genau ermittelt werden):

Hähnchen: Ein zerteiltes gegrilltes Geflügel, dessen Anwesenheit einige Stunden vorher interessierte Nasen aufmerken ließ.

Minki: Eine niedliche schwarze Katze mit weißen Söckchen und ebenso weißem Schnäuzchen. Sie war zwar nicht dabei, aber ...

Flocki: Ein weiser, stellenweise auch weißer, Kater, der Türen öffnen konnte. Natürlich war auch er nicht dabei, denn seine Zeit war, wie die Minkis, leider um. Sein von ihm adoptiertes Herrchen kann ihn aber trotzdem nicht vergessen. Doch lassen wir das, ehe die Tränen fließen.

Mäxchen: Ein überaus liebenswürdiger stattlicher (nein, er ist nicht dick!) Kater, der sein Herrchen nicht adoptiert hat, sondern eher sein Frauchen, denn Herrchen besitzt er bereits. Im Grunde ist er ein Staubsauger.

Tabby: Der Kater mit eigenem Fahrradständer. Zwar alt, doch überaus flink (nein, nicht der Fahrradständer), leider ein wenig kaputt, auch im Hirn, aber trotzdem wird er nicht ins Altersheim abgeschoben. Außerdem scheint er der einzige Kater zu sein, der Farben unterscheiden kann.

Kolja: Eine bekannte ältere Pudeldame, der das Älterwerden, trotz "Rheumas", irgendwie schwerfällt. Im Vergleich zu Mäxchen ist sie eine Kehrmaschine.

Hans: Ein Mensch (glaube ich jedenfalls), der um die bewußte Zeit fast eingeschlafen war, aber von einem schnarchenden Hund geweckt wurde.


Hans wachte auf. War es der Wecker? Im Zimmer war es dunkel, doch das ist im Winter ja nicht ungewöhnlich. Ein Blick auf die Uhr brachte Gewißheit: kurz vor 2.00 Uhr. Mäxchen lag, wie fast jede Nacht, am Fußende seines Bettes und fühlte sich wohl. Auch das störende Geräusch, das ihn weckte, war mittlerweile ausgemacht. Es war mal wieder der schnarchende Hund, der sich ein Nachtlager in dem damals für den schwerkranken Flocki mit einer Decke ausgelegten Karton bereitet hatte.

Einschlafen konnte er nicht mehr, deshalb stand Hans auf. Dabei verspürte er ein leichtes Hungergefühl. Er erinnerte sich an die zweite Hälfte des Grillhähnchens, dessen erste Hälfte er ganz allein (naja, fast allein) am Abend vorher gegessen hatte, das in dem dafür vorgesehenen Schrank vor sich hinkühlte, und begab sich ins Erdgeschoß.

Der Weg nach unten erwies sich als unkompliziert. Auch als er die Tür des Kühlschranks öffnete, war noch keine Gefahr im Verzuge. Aber dann ... Das nunmehr kalte halbe Hähnchen lag kaum auf dem Teller, schon fanden sich drei behaarte Wesen in der Küche ein, die ihren Anteil forderten. Ihnen muß jedoch zugute gehalten werden, daß sie in gebührendem Abstand auf ihre Bedürfnisse aufmerksam machten. Dabei richtete sich besagter Abstand nach dem Sprungvermögen (fast) jeden Tieres bzw. der Akzeptanz untereinander.

Dies bedarf sicher einer Erklärung. Nun, Kolja schafft es nicht, in einem Satz auf den Küchentisch zu springen, also blieb sie sicherheitshalber unten. Sie machte sich wohl Sorgen, wie sie aus dieser Höhe wieder herunterkommen könnte. Das ist durchaus verständlich. Mäxchen kann sehr wohl so hoch springen und braucht sich diese Gedanken nicht zu machen, aber sein Feind, Tabby, war wieder einmal schneller oben. Trotz seines Handicaps, eines vor Jahren total lädierten Oberschenkels des Hinterbeines, der durch einen chirurgischen Nagel zusammengehalten wird. Wegen dieses Fremdkörpers parkt er sein Hinterbein wie einen Fahrradständer, wenn das Wetter etwas kühler ist.

Auch zum Miteinander der beiden Stubentiger eine wohl nötige Erklärung. Beide Kater sind in ihrer Beziehung zueinander ein wenig dümmlich. Ab und zu, manchmal auch sehr oft, glaubt einer der beiden, den anderen nicht leiden zu können. Niemand weiß warum, aber es ist leider so. Vielleicht liegt es daran, daß Mäxchen fast die gleiche Farbe hat wie Schwiegermutters Hund, den Tabby überhaupt nicht mag. Mit schwarzen Hunden, egal wie groß, hat er nämlich keinerlei Probleme. Ebenso mit Katzen ähnlicher Färbung. "Black is beautyful", denkt er wohl. Und weil Tabby Mäxchen nicht mag, meint dieser, ihn deshalb auch manchmal nicht zu mögen.

Genug der Erklärungen, denn das Hähnchen war wichtiger, besonders für die Vierbeiner. Die nächsten zehn Minuten ging es dann um die gerechte Aufteilung des kalten Grillgeflügels. Kolja bekam ab und zu ein Häppchen. Aber so, daß sie es suchen mußte, wegen der Bewegung, die sie braucht. Mäxchen bekam ebensolche kleinen Häppchen; auch er mußte nach ihnen suchen. Wobei man bei ihm eigentlich nicht von suchen sprechen kann, denn er hat die Gabe, die Flugbahn eines Gegenstandes genau zu berechnen. Tabby, auch Hungerhaken genannt, bekam regelrecht große Stücke vorgelegt, die er mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit verputzte.

Ziemlich schnell war das Hähnchen verspeist und die Knochen wanderten in den Mülleimer, einem weiteren, aber sonst ungenannten Beteiligten des nächtlichen Schauspiels. So ein Müllgefäß hat schließlich seinen Dienst ohne Murren zu verrichten und darf keine Ansprüche stellen. Zwar zeigten die Tiere auch an den Knochen großes Interesse, aber was in den Abfalleimer gehört, muß da nun mal hinein. Womöglich hätte der noch protestiert - nicht auszudenken dieser Lärm!

Was Hans abbekam? Gute Frage - den Rest natürlich, Haut und etwas Fleisch, wie immer.

Spätere Anmerkungen: Kolja ist im Sommer 1995 verstorben, auch Tabby lebt seit 1997 nicht mehr. Mäxchen wurde im Januar 2003 eingeschläfert (Nierenversagen, Wasser im Herzen - er wollte nicht mehr).




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