Föderalismus in Deutschland, zeitgemäß oder längst überfällig?
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Föderalismus in Deutschland, zeitgemäß oder längst überfällig?

1. Was ist Föderalismus?

Eines der großen Unterschiede zu unserem Nachbarn Frankreich ist unser Föderalismus in Deutschland.

In Frankreich geht alle Macht von Paris aus. Es ist das Herz jeglicher politischer Entscheidungen.

Anders ist es in Deutschland. Hier gilt die föderale Struktur mit den 16 Bundesländern.

Konkret heißt das: Jedes Bundesland verwaltet sich selbst und darf in bestimmten Bereichen wie Finanzen, Polizei oder Bildung unabhängig vom Staat entscheiden.

Die Macht eines Bundeslands erstreckt sich nur auf die Innenpolitik. Kein Bundesland kann selbstständig Verhandlungen mit anderen Nationen aufnehmen.

Das ist eine Sache der Bundesregierung.

2. Warum gibt es überhaupt eine föderale Struktur in Deutschland?

Die föderale Struktur ist ein Produkt der Geschichte.

Nach dem 2. Weltkrieg war Deutschland im Westen in drei Besatzungszonen unterteilt. Um Deutschland wieder an die Demokratie heranzuführen, wurde das Gebiet innerhalb der Besatzungszonen in Bundesländer unterteilt.

Auf diese Weise konnten die deutschen Bürger, trotz Besatzung durch die Alliierten, im kleinen Rahmen wieder selbstbestimmt agieren. Es bildeten sich Gemeinde und Stadträte. Ebenso breiteten sich früher unterdrückte, demokratische Parteien wie die CDU oder die SPD wieder aus.

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland behielt die Regierung diese Organisation des Staates bei.

Als im Jahr 1989 die Mauer fiel und 1991 Deutschland offiziell wiedervereinigt wurde, kamen die fünf "neuen" Bundesländer dazu.

3. Wo liegen heute die Probleme?

Die Selbstverwaltung der Länder hat einen Flickteppich an Gesetzen innerhalb der BRD zur Folge.

Das prominenteste Beispiel für die Probleme bei diesem "dezentralen" System ist die Bildungspolitik.

Zum einen können Bundesländer entscheiden, wie lange die Schuldauer ist. So gab es selbst nach der G8-Reform in Deutschland immer noch Staaten, die teilweise am G9 festhielten. Und demnach besser gestellt seien, weil die Schüler eine längere Schulzeit hätten.

Zudem ist der Lernplan von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Das führt zu unterschiedlichen "Schwierigkeitsgraden" beim Abitur. Während bei Baden-Württemberg und Bayern das Abitur schwieriger ist, ist es in den neuen Bundesländern aufgrund des Lernplans einfacher im Vergleich.

Das führt wiederum zu einer unterschiedlichen Auffassung im Wert der Abiturzeugnisse. So gilt in der Öffentlichkeit ein Abitur aus dem Süden des Landes mehr als ein Abitur aus dem östlichen Teil.

Selbstverständlich führt das zu Spannungen innerhalb der Bevölkerung. Schließlich ist die Gleichheit nicht mehr gegeben, die aber ein fundamentaler Bestandteil des Grundgesetzes ist. Und an das Grundgesetz muss sich jedes Bundesland halten.

Im Zuge der Debatte wurde immer wieder eine Forderung laut: Die Bundesländer bloß auf die Selbstverwaltung zu reduzieren.

Und die Bereiche Sicherheitspolitik oder Bildungspolitik dem Staat zu überlassen. Damit gäbe es überall im Land dieselben Standards und Startbedingungen.

Allerdings wollen sich die Bundesländer nicht von dieser Macht trennen. Schließlich bringt eine Vollmacht im Teil des Gesetzes eine gewisse Macht gegenüber dem Staat.

Und kann damit als Druckmittel in Verhandlungen auf Bundesebene dienen, um Länderinteressen durchzusetzen - zu Gunsten des Bundeslandes und dessen Bevölkerung.

4. Ist der Föderalismus noch zeitgemäß?

Die neuen Bundesländer würden von einem Zentralstaat wie in Frankreich profitieren, da die Vergabe von Geldern und sonstige Themen einheitlich geregelt wäre.

Die alten Bundesländer hingegen wollen ihre Macht und den zum Teil damit verbundenen Reichtum nicht aufgeben, da sie mehr verlieren als gewinnen würden vom Zentral-Ansatz.

Ob der Föderalismus zeitgemäß ist, hängt somit von der Position des Bundeslandes ab. Die Frage ist nicht pauschal auf ganz Deutschland übertragbar, sondern muss bei jedem Bundesland einzeln bewertet werden.



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