Hätte, Wäre und Könnte
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Von drei Wesen, die jeder kennt, aber am liebsten vergessen möchte

Hätte, Wäre und Könnte


Hätte,



ein stets unglücklich drein blickendes, hageres Wesen, meist wehleidig klagend und gramgebeugt, schlurfte durch die dunklen Straßen. Es hielt Monologe über die versäumten Chancen, die fehlende Entschlusskraft und war bemüht, sie mit kraftlosen, fahrigen Gesten zu betonen.

Ihm entgegen kam Wäre,


hochaufgerichtet und drahtig wie immer, voller Trotz und Rechthaberei. Auch Wäre führte Selbstgespräche, angefüllt mit Anschuldigungen an Gott und die Welt. Alle paar Schritte blieb es stehen und stampfte zur Unterstreichung seiner fortwährenden Klagen mit dem Fuß auf, gerade so wie es ein bockiges Kind tut, das seinen Willen nicht bekommt.

Sie trafen aufeinander, wie schon so oft, begrüßten sich mürrisch und versuchten zum wiederholten Male heraus zu bekommen, wer von ihnen beiden es schlechter getroffen haben könnte.

Könnte!


Das war ihr Stichwort. Die beiden schauten sich um in dieser rabenschwarzen Nacht und hofften darauf, dass sich das dritte Wesen im Bunde zu ihnen gesellen würde. Sie hielten inne mit ihrem Lamentieren und lauschten angestrengt, ob die federleichten Geräusche von Könnte zu hören wären.
Ein kleines, auf und ab hüpfendes Licht näherte sich ihnen und dann klangen sie auch an ihre Ohren: die beschwingten, raumgreifenden Schritte von Könnte. Groß gebaut tauchte sein Umriss aus der Dunkelheit auf und von nahem war dieses kleine Licht in seiner Hand gar nicht so schwach, wie es von weitem den Anschein hatte.

Kaum sah das Wesen


die beiden anderen, berichtete es mit Begeisterung von all den Möglichkeiten, die sich böten, von den Wünschen, die es zu realisieren gelte und den wattewolken-gleichen Träumen. Es sprach von Alternativen, die es zu sehen und zu ergreifen galt und bunten Bildern der Vorstellungskraft.

So standen sie beisammen, diese drei, die ohne einander nicht konnten, aber miteinander nichts zustande brachten.


„Wäre ich doch mutiger gewesen, wäre es doch nicht immer so schwierig“ wechselte sich ab mit: „Hätte ich doch nur einmal das Glück all der anderen, hätte ich doch auf den Rat gehört“. Und dieses Jammertal übertönend: „Könnte ich alles erreichen! Könnte ich, wenn ihr nur schweigen würdet! Könnte ich, wenn-wenn-wenn!“

So verging die Dunkelheit der Nacht


und mit dem ersten frühen Morgengrauen trennten sich die Wesen wieder. Hätte schlurfte davon, leise murmelnd war etwas zu verstehen wie: „Hätte ich nur zugegriffen, als sich die Chance bot…“ Wäre stampfte seiner Wege mit dem trotzigen Stolz eines stets in die zweite Reihe gedrängten.
Könnte sah ihnen nach, wie sie verblassend im zarten Morgenrot verschwanden und federleicht tänzelnd zählte es mit den Fingern seiner Hand auf, was es könnte, wenn-wenn-wenn-wenn…

Sie würden sich erneut treffen, in der nächsten dunklen, mondlosen Nacht und einander davon erzählen,

was WÄRE, was HÄTTE und was KÖNNTE.





1 Kommentare

Ralf Kellmereit 5 year ago

SUPERGUT auf den Punkt gebracht in dieser tollen Geschichte :-))