Ist der Mauerfall am 9. November 1989 auch noch nach 30 Jahren ein Glücksfall? Die Mehrheit der Deutschen sagt "ja"

Ist der Mauerfall am 9. November 1989 auch noch nach 30 Jahren ein Glücksfall? Die Mehrheit der Deutschen sagt "ja"


Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, die damalige Grenze zwischen dem Osten und dem Westen Berlins, die seit 1961 bestand. Ein Glücksfall, könnte man meinen. Nach der Mauer fiel auch der Rest der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Deutschland wurde daraufhin wiedervereinigt, die SED-Diktatur, die den Osten des Landes rund 40 Jahre im Griff hatte, wurde abgelöst. Die Grenzöffnung mit all ihrer Symbolkraft, die sich in diesen Tagen zum 30. Mal jährt, sollte etwas rundum Positives sein. Aber sehen die Deutschen das auch so? Die Antwort, die eine neue repräsentative Studie von Prof. Dr. Horst Opaschowski und Hans-Peter Drews jetzt gibt, lautet: Überwiegend ja.

Denn die Deutschen in Ost und West schätzen den Mauerfall mehrheitlich als positives Ereignis ein. Von den 57 Prozent der Befragten, die das im Osten so sehen, sagen sogar 29 Prozentpunkte „sehr positiv“. (Im Westen sagen 54 Prozent positiv, davon 24 Prozentpunkte „sehr positiv“.)

Die Kritiker sind also in der Minderzahl: Nur etwa jeder siebte Bundesbürger (im Osten 14 Prozent, im Westen 15) beurteilt den Mauerfall negativ. Knapp ein weiteres Drittel der Bevölkerung in Deutschland (Ost: 29 Prozent - West: 32 Prozent) verhält sich bei der Einschätzung neutral, kann oder will sich also nicht zwischen positiver oder negativer Bewertung entscheiden.

Nur wenige Jüngere urteilen negativ


Befragt wurden Mitte September 2019 insgesamt 2.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland.

Wenn man sich die Altersgruppen genauer ansieht, fällt auf, dass auch jüngere Menschen unter 34 Jahren, die also die Zeit vor dem Mauerfall nicht oder zumindest nicht bewusst miterlebt haben können, das Ereignis überwiegend positiv beurteilen (50 Prozent). Allerdings liegt bei dieser Gruppe der Anteil der neutralen Einstufung mit 39 Prozent - gegenüber 32 Prozent im Bundesdurchschnitt - relativ hoch. Es fehlt also offenbar das eigene Erleben. Die Bilanz ist aber eindeutig: Auf fünf Befürworter der Wiedervereinigung kommt bei den Jüngeren nur etwa ein Gegner.

Bessergebildete und Einkommensstärkere urteilen positiver


Insbesondere in Ostdeutschland hängt die Beurteilung stark von der formalen Schulbildung ab - und noch stärker vom Einkommen der Bürger. Personen, die in Haushalten mit einem Nettoeinkommen von unter 1.500 Euro im Monat leben, sehen den Mauerfall deutlich kritischer als der Durchschnitt, 28 Prozent haben eine negative Meinung, gegenüber 27 Prozent, die positiv über den Mauerfall denken. Offensichtlich existiert hier eine „früher war es besser“- bzw. „heute ist es auch nicht besser“-Mentalität.

Was zusammengehört: Warum der Mauerfall positiv bewertet wird


Für Befragte, die den Mauerfall positiv beurteilen, gibt es zwei Hauptgründe:

Ein gemeinsames Deutschland und Freiheit. Vier von zehn Mauerfall-Befürwortern aus Ostdeutschland nennen den Freiheitsaspekt (41 Prozent) und meinen damit eher die Freiheit, sich frei bewegen zu können, also Reisefreiheit, als die Meinungsfreiheit. Im Westen, wo es für die Bürger keine eingeschränkten Freiheiten gab, steht verständlicherweise der Einheitsaspekt im Mittelpunkt der Begründungen. Jeder zweite (52 Prozent) der Mauerfall-Befürworter äußert sich bei der offenen Frage in diese Richtung („Deutschland gehört zusammen“, „die Grenze ist weg“, „Wiedervereinigung“ etc.). Im Osten begründen „nur“ 38 Prozent ihre positive Bewertung mit diesem Argument.

Mauerfallgegner: Der Westen klagt über Kosten, der Osten über Einkommensunterschiede


Bei den Gegnern des Mauerfalls unterscheiden sich die Begründungen deutlich stärker zwischen Ost- und Westdeutschen. Diejenigen, die den Mauerfall negativ beurteilen, beklagen in Westdeutschland vor allem die mit der Vereinigung verbundenen hohen Kosten und Steuern (33 Prozent) mit Aussagen wie „das hat Milliarden gekostet“, „wir zahlen immer noch“ etc. Jeder Fünfte (20 Prozent) im Westen hadert mit der vermeintlichen Mentalität der Ostdeutschen („die haben nichts dazugelernt“, „sind nie zufrieden“ etc.). Dem schließen sich interessanterweise allerdings auch 15 Prozent der Ostdeutschen selbst an – die das aber wahrscheinlich nicht auf sich selbst beziehen.

Ansonsten sehen ostdeutsche Mauerfallgegner vor allem die immer noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West hinsichtlich Einkommen und Renten kritisch. Jeder Vierte (25 Prozent) macht den Wegfall der Mauer auch für die Arbeitslosigkeit in seiner Region verantwortlich. In geringem Ausmaß werden im Osten auch die hohe Kriminalitätsrate sowie die hohe Zahl der Ausländer beklagt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Ost und West liegen die Anteile dieser negativen Begründungen allerdings auf einem eher niedrigen Niveau.



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