Museum für Sepulkralkultur in Kassel

Mit dem Linienbus ins Jenseits - ein Museumsbesuch der besonderen Art


Als ich eingeladen wurde, mir eine Ausstellung im Kasseler Museum für Sepulkralkultur anzusehen, scheiterte ich zunächst daran mir vorzustellen, was man in so einem Museum wohl sehen kann und ich nehme an, dass ich mit diesem Problem nicht allein bin. Dementsprechend skeptisch war ich, als ich mich dann doch entschloss, das Museum zu besuchen.
Gleich an hier sei erwähnt, dass es eine gute Entscheidung war, dieses kulturhistorische Museum der besonderen Art zu besuchen. Ich bin nicht sicher, ob es in Deutschland ein weiteres Museum gleichen Inhalts gibt, denn es befasst sich mit Bestattungstraditionen in Mitteleuropa, mit der Trauer und Bestattungskultur anderer Kulturen und Religionen und zeigt unter anderem auch bildliche und figürliche künstlerische Exponate.  Zu finden ist es auf dem Weinberg in Kassel, unweit der Grimmwelt.
Neben seinen Dauerpräsentationen beherbergt das Museum auch immer wieder Sonderausstellungen, wie zum Beispiel aktuell die Ausstellung „Mit dem Linienbus ins Jenseits – Fantastische Särge aus Ghana“. Was für ein Titel, oder?
Noch bis zum 27.10.2019 können im Rahmen dieser Sonderschau bunte Särge bewundert werden, die dem Betrachter einen Einblick in die Bestattungskultur und darüber hinaus den Stellenwert des Todes in der Kultur Ghanas vermitteln.
Wenn man sich entschließt, dieses Museum zu besuchen, tritt man eine andersartige Reise in fremde Kulturen und auch in die eigene an. Sehr verständlich und bildlich werden Aspekte des Umgangs mit dem Tod in den 5 Weltreligionen und auch verschiedenen anderen Glaubensgemeinschaften gezeigt. Man sieht beispielsweise Utensilien für die rituelle Waschung der Verstorbenen im Islam, kann die Schminkutensilien eines  deutschen Bestatters betrachten, erfährt, dass Nachbildungen von Handys, Kofferradios, Lebensmitteln oder Geld, das Höllengeld, in China verbrannt werden, damit der Verstorbene diese Dinge im Jenseits nutzen kann und es ihm oder ihr an nichts mangelt. Texttafeln und Fotos, Filmsequenzen ergänzen die ausgestellten Objekte. Wussten Sie, was es mit den „Drei Äpfeln zur Totenleite“ bei den (Neu-) Heiden, einer Religionsgemeinschaft, die es vor allem in Skandinavien gibt, auf sich hat? Ich vor meinem Besuch nicht!
Immerhin sind der Tod und  das Lebensende Themen für Menschen in allen Kulturen, unabhängig von ihrer religiösen Auffassung, sozialen oder kulturellen Werten. Das ist nun keine wesentlich neue Erkenntnis, aber mich hat fasziniert, dass ich in den Ausstellungsräumen ohne Scheu und ohne aufdringlich zu sein, aus der Nähe sozusagen, verschiedene Utensilien, die mit dem Tod eines Menschen im Zusammenhang stehen, ansehen konnte.  In meinem Umfeld erlebe ich diesen konkreten Zugang zum Tod weitestgehend tabuisiert. Ich weiß, dass das durchaus keine Seltenheit ist. Was passiert aber nun eigentlich beim Bestatter mit den Wunden eines Verstorbenen, wie sieht die Schminke aus, die beim Herrichten des Leichnams benutzt wird?
Der Tod, das Weggehen eines Menschen findet oft abgeschottet in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, in Hospizen, natürlich auch in der eigenen Häuslichkeit statt, aber er ist kein Thema, für den Alltag, es sei denn, wir lesen Todesanzeigen, sehen Berichte im Fernsehen oder lesen Nachrichten über Unfälle, Naturkatastrophen oder Kriege. Was aber passiert mit mir, wenn ich verstorben bin und ich für „meine letzte Reise“ vorbereitet werde oder was passiert mit einem nahen Angehörigen? Obwohl der Tod zu unserem Leben gehört und wir uns schon mit unserer Geburt auf ihn zubewegen, ob wir wollen oder nicht, blenden wir ihn aus. In aller Regel wissen wir natürlich nicht, wann der Tod uns ereilt und ich halte nichts von einem verheißungsvollen Leben nach dem Tod, dass das irdische Dasein als Qual und Prüfung erscheinen lässt. Deshalb finde ich es auch richtig, sich nicht ständig mit dem Tod oder dem Sterben zu beschäftigen. Ich möchte das Leben in all seinen Facetten genießen. Aber je älter ich werde, um so mehr rückt auch der Tod in mein Blickfeld, nicht ständig, nicht bedrohlich und beängstigend, aber doch immer wieder einmal. Wenn er doch aber ohnehin zu unserem Leben gehört, dann ist es doch eigentlich auch notwendig, sich mit dem Tod allgemein und auch dem eigenen Tod zu beschäftigen?  Aber, und sicher bin ich auch da kein Einzelfall, ich vermeide es, solange es mir gut geht, ich mitten im Leben stehe, das zu tun.  Wie die wenigsten meiner Mitmenschen, habe ich schon meine Beerdigung geplant.
Vielleicht ist das auch der größte persönliche Zugewinn, den ich aus dem Besuch dieser Ausstellung ziehe. Ich habe Wissen erlangt, das ein wenig Licht in ein Thema, nämlich die Frage nach dem „Danach“, gebracht hat, dem ich gern ausweiche, mit dem ich mich nicht gern beschäftige.
Während ich die bunten Särge aus Ghana betrachtete, musste ich an die Beerdigungen auf denen ich bisher war, denken. Schwarz gekleidete, trauernde Menschen, traurige Musik, Blumenschmuck, ein großer Sarg, Grabreden, die den Verstorbenen und dessen Lebensweg und Lebenswerk würdigten, der anschließende Leichenschmaus, tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Was für ein Gegensatz zu den bunten Särgen, die ich in der Ausstellung gesehen habe. Vielleicht war der Mensch, der sich in einem Sarg, der einen Löwen darstellte ein besonders mutiger Mann? Was mag einen Menschen bewegen, einen Sarg anfertigen zu lassen, der einem Flugzeug darstellt oder einem Ruderboot oder einem Fisch nachempfunden ist? Auf Fotos kann man sehen, dass Menschen Trauer über den Tod eines Nahestehenden empfinden, aber auch wie kreativ und farbenfroh der Umgang mit diesem Verlust sein kann.
Fazit: Ich empfehle den Besuch der Ausstellungen, auch wenn sie, das bemerke ich jetzt, mich doch mehr aufgewühlt hat, als ich beim Verlassen des Gebäudes annahm.
 




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