Mutismus im Erwachsenenalter: Beruf
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„Jeder findet Arbeit und wird gebraucht.“ Wirklich? Ein Erfahrungsbericht.

Mutismus im Erwachsenenalter: Beruf


Nach der Schulzeit, besser gesagt, während der letzten beiden Schuljahre ging es los. Ich begann eine Bewerbung nach der anderen zu schreiben. Erste Absage - gehört dazu. Weitermachen. Nächste Absage - normal. Weiter gehts. Wieder nichts. Langsam trübte sich die Stimmung. Sollte ich die Branche wechseln? Den Beruf? Oder (noch) kleinere Unternehmen wählen?
Gesagt getan. Bald darauf kam eine telefonische Einladung zum Vorstellungsgespräch. Selbe Woche fand das Gespräch statt. Schlaflose Nächte folgten. Dazu war es mitten im Sommer. Schwitzen war vorprogrammiert. Doch ich meisterte es - irgendwie. Und irgendwie lief es auch gar nicht so schlecht, wenn man dem Personaler glauben möchte. Ein Praktikum war vorgesehen. Doch dann lag zuvor eine Absage im E-Mail-Postfach. Der Frust groß, hatte ich mich doch so gefreut, dass es gut lief.
Woran lag es? Haben wohl doch anders gedacht und konnten es bloß nicht ins Gesicht sagen, dass aus uns nicht werden würde.

Welche Unterstützung gibt es?


Als auch die nächsten Bewerbungen negativ ausfielen, wurde mir klar, das, was die Arbeitgeber wollen, kann ich nicht bieten. Nicht so, nicht jetzt, nicht allein. Egal, was ich suchte, an der Berufsberatung ging jetzt kein Weg vorbei. 

Vom Mutismus erzählen oder lieber nicht?


„Nein, ich will es alleine schaffen. Die Menschen verstehen es eh nicht.“ 
Doch Wochen und Monate verstrichen. Ich fand keinen Ausbildungsplatz. Die Berufsberatung konnte mir so nicht weiterhelfen. Also doch den Mutismus erwähnen.
Wie dem Berufsberater erzählen, war klar, nur wie erklärt man eine weitestgehend unbekannte Störung, welche noch dazu die Kommunikationsfähigkeit, eine der meist erwarteten Soft-Skills, einschränkt, einem potenziellen Arbeitgeber? 
Schreiben? Würde nur das Problem hervorheben und eventuelle Vorurteile durch die Unbekanntheit verstärken.
Videobewerbung? Ein Video zeigt immerhin schon einmal, wozu ich fähig bin.

Zu unnormal für den Arbeitsmarkt, doch zu normal für Unterstützung?


Währenddessen wartete ich auf das Ergebnis des Reha-Antrags bei der Arbeitsagentur. Psychologische Begutachtung, Formular für die ärztliche Untersuchung ausfüllen; ich tat alles, nur um endlich eine Ausbildung beginnen zu können. Nach zwei Monaten kam der Brief mit der Einladung zum Beratungsgespräch. Kein Reha-Berater, sondern der gleiche Berufsberater wie die Male zuvor auch. Ich ahnte das Ergebnis bereits. Im Gespräch dann die Gewissheit. Ich bin nicht geeignet für eine berufliche Rehabilitation, da keine Schwerbehinderung vorliegt. 
Jemand, der bereits zwei Jahre erfolglos trotz der guten Bedingungen, von denen alle immer reden, auf Ausbildungsplatzsuche ist, darf also keine Unterstützung in Anspruch nehmen, nur weil man keinen Schwerbehindertenausweis hat, obwohl aber eine offizielle Diagnose im Raum steht?
Was soll mir das sagen? Entweder du bist so normal, dass du absolut keine Hilfen brauchst oder du bist so beeinträchtigt, dass du ständig Unterstützung brauchst, dazwischen hast du Pech gehabt?



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