Spätsommer

Gedanken nach einem Spätsommerspaziergang

Spätsommer


Die große Hitze ist vorbei, die Tage werden kürzer, die Abende kühler und die Sonne geht bereits deutlich später auf. Die Natur verändert sich, denn der Spätsommer hält Hof und kündigt den nahenden Herbst an.
Wir sitzen in der milden Mittagssonne, die uns noch wärmt, ohne uns zu verbrennen, vielleicht auf einer Gartenbank oder im Park. Bäume, deren Äste sich unter der Last der Äpfel, Pflaumen und Birnen biegen, letzte Sonnenblumen, die uns grüßen, Spinnweben, in denen Tautropfen glitzern. Entspannung macht sich breit, unaufgeregtes Glücksgefühl und Zufriedenheit erfüllen uns, wenn wir ernten, was wir im Frühling und Sommer angebaut, gehegt und gepflegt haben.
Erste Kastanien und Nüsse fallen uns vor die Füße, wenn wir spazieren gehen, die ersten Blätter färben sich. Spätsommers Schätze!
Manchmal denke ich: Wo ist er nur geblieben der Sommer? War es nicht noch vor kurzem viel zu heiß, zu staubig, zu trocken? Möglicherweise drehen sich die Gedanken der Gartenliebhaber auch um ihren Garten, der bald winterfest gemacht werden muss, um die Saat, die jetzt in die Erde muss oder schon in den Boden gebracht wurde, damit es im nächsten Frühjahr wieder ein Erwachen der Natur gibt. 
Aber vor allem, finde ich, ist es jetzt an der Zeit zu genießen, mit allen Sinnen. Wir schmecken das Aroma reifer Früchte, riechen die feuchte Erde, den Duft von  brennendem Holz, sehen die unendliche Farbenpracht der Laubbäume, fühlen die Kraft der Natur, wenn die ersten Herbstwinde kommen und manchmal hören wir vielleicht ein Knacken, wenn uns ein reifer Apfel in den Schoss fällt oder sehen am Himmel die Vogelschwärme, die lärmend gen Süden ziehen. Es ist die Zeit, in der Fülle, Opulenz und Pracht unsere Augen erfreuen.
Morgennebel, Regengüsse und kühle Winde werden kommen und uns daran erinnern, wie gemütlich wir es uns zu Hause machen können. Bald werden wir, schweren Herzens, die leichten Sommerschuhe gegen Stiefel tauschen, werden unsere gefütterten Jacken an die Garderoben hängen, Mützen und Schals bereitlegen. Die Sommersachen werden wir in die hinterste Ecke des Schrankes verbannen, Sonnencreme brauchen wir wahrscheinlich nicht mehr nachkaufen, der Rest wird uns noch eine Weile reichen. Noch ist es nicht soweit, dass stundenlanger Regen uns betrübt, aber wir tragen den bunten Regenschirm jetzt schon öfter mit uns, als noch vor 6 Wochen.
Anders als im Sommer, der uns ständig zu Aktivitäten im Freien und zu überschwenglichem Frohsinn herausfordert, genießen wir jetzt entspannt wieder die Theater, die Museen, die Ausstellungen und dürfen auch etwas melancholisch sein. Alles passiert langsamer, unaufgeregter, bedächtiger, als im hektischen sonnenenergiegeladenen Sommer. Wir werden uns abends zu Hause,möglicherweise auch in Cafés oder in gemütlichen Kneipen mit Freunden und unseren Familien treffen, an herbstlich gedeckten Tafeln, bei guten Speisen und Getränken, zusammensitzen, über den vergangenen Sommer sprechen, denn die Urlaubszeit ist vorbei und es ist wieder Zeit da für den Alltag. Und es ist Zeit für Herbstspaziergänge, vielleicht im Wald, vielleicht am Meer.
Vieles kommt zur Ruhe, aber manchmal beginnt etwas auch neu. Schulen haben die Türen geöffnet, Erstklässler betreten ehrfurchtsvoll, aufgeregt und voller Vorfreude, vielleicht auch mit etwas Angst, ihren Klassenraum. Universitäten beginnen das neue Studienjahr. Schluss mit Schule - Welt ich komme- mögen Studierende denken.
Pläne für den nächsten Sommer werden wir machen. Ein wenig Trauer wird dabei sein, weil wissen, dass dem bunten Herbst im November unabwendbar das Grau und die Tristesse folgen werden. Aber wir wissen ja glücklicherweise auch, dass gute Bücher, Musik und Filme uns die Zeit vertreiben und wir werden mit Kerzen und mit Martinsumzügen Licht in die dunkle Jahreszeit bringen und wir können uns auf die Weihnachtsmärkte und Weihnachten freuen.
Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass die Natur und auch wir diese Pause, dieses Innehalten brauchen. Es ist trotzdem ein kleiner, wenn auch nicht endgültiger Abschied, den wir jedes Jahr im Spätsommer erleben.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass das Alte gehen muss, bevor das Neue beginnen kann. Und mit dieser Gewissheit, dass alles wieder von vorn beginnt, nach dem Winter, im nächsten Jahr, fällt uns der Abschied vom Sommer leichter. So schrecklich und monoton, wie das Leben ohne Wechsel und ohne Neubeginn wäre, so eintönig wäre ein Kalenderjahr ohne den Wechsel der Jahreszeiten.
 




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