Vorsicht bei Crowdinvesting
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Die Zinsflaute führt dazu, dass sich viele für alternative Anlageformen interessieren

Vorsicht bei Crowdinvesting

Die Politik der EZB, mit der die Zinslast für die Staaten erträglich gehlten werden soll, führt zu keinen bzw. Minizinsen. Häufig werden im Internet Angebote für Crowdfunding oder Crowdinvesting als Werbung angezeigt. Die Risiken einer solchen Geldanlage sind enorm, wie der Autor aus eigener Erfahrung zu berichten weiß.



Totalverlust möglich


Es werden auf den entsprechenden Portalen gerne die Unternehmen herausgestellt, bei denen sich das Crowdinvesting für die Anleger gewohnt hat und teilweise tatsächlich fabelhafte Renditen erzielt werden konnten. Auf die Möglichkeit des Totalverlust bei der Geldanlage wird schon hingewiesen, aber er soll hier dennoch herausgestellt werden. Die wichtigste Regel bei Geldanlagen im sog. "grauen Kapitalmarkt" ist ohnehin, dass man nur Geld anlegen sollte, dessen Totalverlust man verschmerzen kann. Das Geld verleihen die Anleger meist in Form eines sogenannten "Nachrangdarlehens". Das bedeutet, dass im Falle der Insolvenz alle anderen, die von dem Unternehmen Geld zu bekommen haben, erst einmal bedient werden. Nur falls am Ende noch ein Rest übrig bleibt, wird der an die Nachrangdarlehensgläubiger ausgekehrt. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass die Unternehmen, die die hohen Renditen für die "Crowd" einspielten die Ausnahme sind und nicht der Regelfall. Das kann ich - nach einige Jahren, in denen ich in diesem Berich investiert habe - sagen. Die Angaben zu den Unternehmenswerten und die Erwartungen sind viel zu optimistisch. Dem Anleger in der Crowd ist auch kaum wirklich die Möglichkeit gegeben, die Angaben zu überprüfen. Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass mit mehreren kleineren Beträgen auf verschiedene Crowdfunding Unternehmen das Risiko gestreut wird. Das ist in der Theorie richtig. Aber schon ein einziges Unternehmen, das die Erwartungen nicht erfüllt (ich würde das als den Regelfall ansehen) reißt das Ganze Portfolio in den Keller. Die anderen können dann so halbwegs ordentlich laufen. Am Ende bleibt dennoch ein Verlust.

Warum wählen Unternehmen eine Finanzierung über Crowdfunding?


Es lohnt sich, in die "andere Seite" hinein zu versetzen. Kurz gesagt: Weil andere ihnen keine Geld geben!
Wären die Investmentgelegenheiten so toll und lukrativ, wie sie dargestellt werden, dann würden wir als Kleinanleger davon nicht erfahren. Dann hätten andere, professionelle, Investoren längst investiert. Es kann schon sein, dass die das irgendwann machen. Die Hoffnung auf den sogenannten "Exit" mit lukrativen Gewinnen wird gerne suggeriert. Erlebt habe ich ihn nicht, eher das Gegenteil, das herabwirtschaften, bis dann billig ein anderer Investor die bisherigen herauskauft, die - wohl oder übel - zustimmen, weil sonst der vollkommene Verlust droht.
Das dürfte der Hauptgrund für Investition über die Crowd sein und der sollte jeden Anleger schon sehr misstrauisch machen.
Ein anderer Grund, über den man sich dann freuen kann, ist, dass Crowdfunding eine Form der Werbung ist. Eine schöne Crowdfunding-Campagne mit einem viralen Video kann sich herumsprechen, macht auf das Unternehmen und sein Produkt aufmerksam und spielt noch Geld der Anleger ein. Da hat man Glück, dann könnte es vielleicht funktionieren.

Wie die Crowdfunding Anleger rausgekegelt werden


Es gibt Plattformen, die den Crowdfunding Anlegern Rechte und vor allem Geld versprechen, wenn es zu einem Exit kommt, also ein anderes Unternehmen das Startup gerne kaufen will. Ich habe das bisher nicht erlebt. Was ich erleben durfte ist, dass Unternehmen in die drohende Zahlungsunfähigkeit gingen und dann - kurz vor der Pleite (die tatsächlich oder vermeintlich) bevorstand ein "rettender Investor" auftauchte. Der stellte dann Bedingungen, die deutlich schlechter waren als das, was an sich für den Exit vorgesehen war. Warum kann er das machen? Ganz einfach. Bei der Insolvenz haben die Nachranggläubiger des Crowdinvestments sowieso das Nachsehen. Er kann das, was evtl. noch lukrativ vorhanden ist, billig vom Insolvenzverwalter erwerben. Wahrscheinlich gehen die Anleger im Crowdinvestment dann ganz leer aus. Also gibt es vorher ein nahezu "alternativlose" angebot, wenigstens einen Teil des Geldes zu retten. Das habe ich mehrfach erlebt. Vielleicht könnte man, wenn man sich viel Mühe gibt und durchklagt auch herausfinden, ob das ein abgekartetes Spiel war (ich will das nicht behaupten).

Crowdfunding


Beim Crowdfunding gilt eigentlich ziemlich das Gleiche, auch wenn sich das nicht als Geldanlage darstellt. Die Unternehmen bieten den Unterstützern häufig sog. "Perks", also kleine oder größere Belohnungen für die Unterstützung an. Wichtig ist, dass es sich (was in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch zu lesen ist) nicht um einen Online Shop handelt. Wenn der Perk nicht kommt, hat man keinerlei Rechte. Bei einer Postkarte mit einem Autogramm des unterstützten Künstlers mag einem das egal sein. Bei einem etwas kostspieligeren Perk vielleicht nicht mehr. Interessanterweise ähneln sich die Ausreden, um die Geldmaschine Crowdfunding noch eine Weile am Laufen zu halten bei verschiedenen Unternehmen. Vielleicht gibt es da auch ein Drehbuch, das abgearbeitet werden muss. Zunächst werden optimistische Zeitpläne und Lieferdaten genannt, die - natürlich - verstreichen. Dann kommt ein Update mit dem Hinweis, dass man untröstlich ist, aber es sei so ein revolutionäres neues Produkt, dass die Massenproduktion schwieriger sei als zunächst angekommen. Im nächsten Schritt werden die Verzögerungen auf irgendwelche Zertifizierungen geschoben, die nötig sind, um die Waren in die USA oder Europa zu bringen. Dann wird berichtet, dass die ersten Testprodukte ausgeliefert seien. Unglücklicherweise seien aber einige Mängel aufgetaucht. Da man natürlich kein mangelhaftes Produkt als Perk ausliefern kann, muss noch einmal neu mit den Zulieferen gesprochen werden. Dann sind die unzuverlässig und müssen gewechselt werden. Wenn die Leute langsam ungeduldig werden, gibt es eine Erkrankung eines wichtigen technischen Managers, der aber so unprofessionell gearbeitet hat, dass es keine Dokumentationen gibt, auf denen andere aufbauen können. Unterdessen wird weiterhin über die Plattform Geld gesammelt, nur eben das Auslieferungsdatum für die Perks immer weiter nach hinten geschoben.
Vielleicht kommt dann nach Jahren das Produkt. Nur ist es dann nicht mehr innovativ und hat mehr gekostet als etwas ähnliches, das nun schon einige Zeit in einem normalen Online-Shop erhältlich ist.

Fazit


Eigentlich müsste die Überschrift nicht "Vorsicht" sondern "Hände weg vom Crowdinvesting" heißen.
 



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