Krank und arbeitsunfähig - was tun?
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Rechte und Pflichten, wenn man nicht arbeiten kann und was einen bei einem Streit mit dem Arbeitgeber über die Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht erwartet.

Krank und arbeitsunfähig - was tun?

Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber über Entgeltfortzahlung gehören - neben Kündigungen - zu den häufigen Prozessen, die beim Arbeitsgericht geführt werden. Es ist gut, wenn man die Regeln im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit und der Entgeltfortzahlung kennt. Schon bei der Frage, was überhaupt "Arbeitsunfähigkeit" ist, haben sich häufig falsche Vorstellungen in der Praxis eingebürgert. Ebenso ist vielen nicht klar, wie die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess ist.

Wann bin ich arbeitsunfähig?


Arbeitsunfähig ist, wer aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben.

Diese Definition zeigt schon, dass es auf den Beruf ankommt, ob jemand arbeitsunfähig ist. Eine Sekretärin kann mit einem Gipsfuß arbeitsfähig sein, ein Briefträger dagegen nicht. Allerdings fragen viele Ärtze überhaupt nicht, welche Arbeit der Patient ausübt und schreiben ihn einfach arbeitsunfähig.

Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht Wegeunfähigkeit


Falls die Sekretärin mit dem Gipsfuß zwar arbeiten, aber nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren kann, liegt sogenannte Wegeunfähigkeit vor. Das ist kein Fall der Arbeitsunfähigkeit und löst auch keinen Entgeltfortzahlungsanspruch aus. Wie und ob der Arbeitnehmer zur Arbeit kommt, ist sein Problem.

Krankheit bedeutet nicht zwangsläufig Arbeitsunfähigket


Entgegen der landläufigen Meinung ist nicht jeder, der eine Krankheit hat, auch arbeitsunfähig. Es gibt Krankheiten, die nie oder nur selten Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit haben. Ein gut eingestellter insulinpflichtiger Diabetiker ist mit Sicherheit krank, aber noch lange nicht arbeitsunfähig.

Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht bettlägrig im Bett bleiben zu müssen


Ebenso häufig ist das Unverständnis bei Arbeitgebern, wenn sich Arbeitnehmer, die arbeitsunfähig geschrieben sind, nicht zu Hause aufhalten, sondern zum Beispiel einkaufen gehen. Wer arbeitsunfähig ist, sollte sich genesungsfördernd verhalten. Das bedeutet aber - je nach Krankheit - nicht, dass er im Bett liegen bleiben muss.

Was muss ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich arbeitsunfähig bin?


Den Arbeitnehmer treffen, neben der schwer zu überprüfenden Verpflichtung, sich genesungsfördernd zu verhalten, die Anzeige- und die Nachweispflicht. Diese Pflichten sind gesetzlich geregelt. In vielen Arbeitsverträgen stehen sie zusätzlich drin.

Die Anzeigepflicht bedeutet, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern anzeigen muss. Versetzen Sie sich als Arbeitnehmer gedanklich in die Position des Arbeitgebers. Der muss wissen, ob jemand zur Arbeit erscheint und er ihn einplanen kann oder nicht. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob der Arzt Sie arbeitsunfähig schreibt, dann melden Sie sich trotzdem, bevor Sie zum Arzt gehen und teilen Sie Ihrem Arbeitgeber mit, dass Sie voraussichtlich arbeitsunfähig sind.

Die Nachweispflicht bedeutet, dass spätestens am dritten Fehltag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (der sog. "gelbe Zettel") beim Arbeitgeber da sein muss. Hier kann eventuell eine frühere Vorlage vom Arbeitgeber verlangt oder arbeitsvertraglich vereinbart werden.

Die Anzeige- und Nachweispflichten gelten auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum des Arbeitgeers bereits abgelaufen ist. Viele Arbeitnehmer wissen das nicht und einige Ärzte erzählen in dieser Hinsicht auch etwas anderes! Es gibt auch viele Arbeitgeber, die - zumindest konkludent - nach den sechs Wochen auf den "gelben Zettel" verzichten. Sie wollen aber dennnoch informiert werden, wie es mit der Arbeitsfähigkeit weitergeht.

Entgeltfortzahlungspflicht


Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen. Damit aber nicht einige das sofort bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ausnutzen, entsteht dieser Anspruch erstmals nach vierwöchigem ununterbrochenem Bestehen des Arbeitsverhältnissses (§ 3 Abs. 3 EntgFG). Soweit keine Fortsetzungserkrankung vorliegt und der Arbeitnehmer zwischendurch einmal arbeitsfähig war, entsteht immer ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für wieder sechs Wochen. Irgendwann wird der Arbeitgeber aber darauf mit einer Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen reagieren.

Darlegungs- und Beweislast im Prozess beim Arbeitsgericht um Entgeltfortzahlung


Der Arbeitnehmer hat zunächst einmal mit der Vorlage des gelben Zettels, der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nachgewiesen, dass er arbeitsunfähig ist. Diesen Nachweis muss der Arbeitgeber im Prozess der Arbeitgeber erschüttern. Viele denken, dass das schon geschehen ist, wenn der Arbeitnehmer beim Einkaufen beobachtet worden ist. Das reicht aber nicht aus. Sollte dann wirklich der Nachweis erschüttert sein, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer eine ähnliche Tätigkeit ausübt, wie seine Erwerbsarbeit, kann es zu einer Beweisaufnahme des krankschreibenden Arztes kommen.

Dann wird eine Rolle spielen, ob der Arzt sich bei der Krankschreibung überhaupt Gedanken darüber gemacht hat, was die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist. Nur dann konnte der Arzt eine fundierte Entscheidung darüber treffen. Es ist gar nicht so selten, dass Ärzte krankschreiben ohne zu wissen, was ihr Patient überhaupt für eine Arbeit ausübt.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Verfassers zur Rechtslage zur Zeit der Entstehung wieder. Die Formulierungen sind bewusst vereinfacht gewählt. Der Artikel will und kann keine Einzelfallberatung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin ersetzen.




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